Was gehört eigentlich auf ein Ticket?

Auf Kanban-Boards findet man unterschiedliche Ticket-Arten. Auf einigen hängen Tickets mit einzelnen Aufgaben, die gemeinsam ein Ziel definieren. Auf anderen finden wir für das gleiche Ziel nur ein einzelnes Ticket. Welche Form ist nun richtig? Und welche Informationen werden sonst noch so auf dem Ticket gebraucht?

 

Die Frage, was auf so einem Ticket auf dem Kanban-Board zu stehen hat, hängt davon ab, für welche Art von Betrachtung der Arbeit man sich entscheidet.

Es gibt bei Kanban-Boards grundsätzlich zwei Arten von Boards: aktivitätsorientierte Boards und arbeitsflussorientierte Boards. Sehen wir uns beide Arten an und analysieren ihre jeweiligen Vor- und Nachteile.

 

 

Aktivitätsorientierte Boards

Auf diesen Boards, in der Kanban-Community manchmal geringschätzig als „ToDo-Doing-Done-Boards“ bezeichnet, werden typischerweise die zu erledigenden Aktivitäten verfolgt. Da befinden sich dann Tickets darauf, wie zum Beispiel „Kunden XY zurückrufen“ oder „Steuererklärung vorbereiten“ und „Steuererklärung einreichen“. Sie sind dazu da, um die anstehenden Aufgaben zu koordinieren und möglichst nichts aus dem Blick zu verlieren.

 

Diese Boards sind, teilweise zu Unrecht, eng mit Personal Kanban verknüpft. Sie stellen eine Art Proto-Kanban dar, also eine typische Vorstufe zu „richtigen“ Kanban-Boards.

Sie haben allerdings ein paar Vorteile gegenüber den Boards aus der reinen Lehre:

  • Aufgaben werden sehr kleinteilig dokumentiert. Das bedeutet, dass schon schnell klar wird, welche Aufgaben zu erledigen sind, was ihr Umfang ist und wer eventuell dafür benötigt wird.
  • Sie sind aufgrund ihres Detailgrads sehr einfach zuzuweisen: Es benötigt normalerweise nicht mehr als einen Mitarbeiter, um eine solche Aufgabe zu erledigen. Selbst wenn zwei oder mehr Personen benötigt werden, können diese die Aufgabe schnell übernehmen. Sie ist von vornherein scharf umrissen.
  • Für diese Art der Tickets ist typisch, dass sie relativ klein sind. Die Folklore sagt hier, dass sie innerhalb eines einzigen Tages abarbeitbar sein sollten. Das ist kein Naturgesetz, ist aber für die Bearbeiter meist motivierender als lange mit einer einzelnen Aufgabe beschäftigt zu sein. Weil sie klein sind, sind sie für einzelne Mitarbeiter leichter zu erreichen.

Die aktivitätsorientierten Boards und Tickets haben allerdings ein paar Nachteile, die ebenfalls erwähnenswert sind:

  • Der Kontext der übergreifenden Klammer geht durch das Aufteilen in Einzeltickets erst einmal verloren. Er muss stattdessen ständig wieder kommuniziert werden.
  • Der Fortschritt der übergreifenden Arbeitseinheit muss in irgendeiner anderen Weise dargestellt oder nachgehalten werden. Häufig passiert das nur im Kopf desjenigen, der die Aufteilung in kleinere Tickets übernimmt. Das ist natürlich riskant, wenn das nur eine einzige Person übernimmt.
  • Je nach Planungshorizont und Durchsatz der Bearbeiter ergibt sich gegebenenfalls eine relativ hohe Anzahl von einzelnen Tickets. Dabei den Überblick zu behalten und ein ordentliches Risikomanagement zu betreiben ist herausfordernd!
  • Der Fokus der Bearbeitung ist auf der Fertigstellung einzelner Tickets, also einzelner Aktivitäten. Da kann es durchaus vorkommen, dass die eigentlich notwendige Kommunikation bezüglich der übergeordneten Arbeitseinheiten eingeschränkt bzw. reduziert wird. Das kann schlecht enden, wenn beispielsweise alle Aktivitätstickets fertiggestellt wurden, aber niemand darauf geachtet hat, ob auch das übergreifende, verbindende Element fertiggestellt wurde. Gerade das liefert aber den Kundenwert! Die Gefahr wird durch elektronische Systeme noch verschlimmert, wenn sich die einzelnen Bearbeiter nur noch auf die Vollständigkeit des Systems verlassen und nicht ausreichend miteinander kommunizieren. 

Arbeitsflussorientierte Boards

Auf Boards, die den Arbeitsfluss darstellen, kommen kundenrelevante Anforderungen beziehungsweise Dienstleistungsaufträge. Das können Dinge sein wie „Blogartikel über den Inhalt von Tickets“ oder auch Features oder Bugs in der Softwareentwicklung. Diese Boards werden mit Ende-zu-Ende-Kanban-Systemen assoziiert. Sie stellen den gesamten Workflow dar, inklusive der Aktivitäten, die notwendig sind. Und das eben von Ende zu Ende.

 

Sie haben ein paar Nachteile, aber auch deutliche Vorteile:

  • Der Kontext jedes Arbeitsauftrags wird mitgeführt. Für jeden Betrachter wird schnell klar, welche Aktivitäten noch für die einzelnen Tickets durchzuführen sind. Es wird auch klar dargestellt, ob ein Ticket gerade blockiert wird oder auf Abhängigkeiten wartet.
  • Dementsprechend ist der Fortschritt für alle Einheiten auf dem Board offensichtlich. Ein Ticket, das sich weiter vorne im Workflow befindet, kann einfach noch nicht den gleichen Fortschritt haben wie ein Ticket, das sich kurz vor der Fertigstellung befindet.
  • Die aktuelle Last-Verteilung bezüglich der unterschiedlichen Aktivitäten wird klar: Eine visuelle Inspektion der Verteilung der Tickets zeigt, wo sich eventuell Kapazitäten und Überlastungssituationen befinden.

Die Nachteile dieser Boards:

  • Sie benötigen ein gewisses Maß an Vorarbeit – der Workflow muss mindest einmal initial erarbeitet werden und die verschiedenen Arbeitseinheiten zugeordnet werden.
  • Es wird ein etwas Platz benötigt. Viele Workflows beinhalten mehr als fünf Aktivitäten. Sollen sie alle auf einem solchen Board physisch dargestellt werden, brauchen wir Platz an der Wand.

Welche Art ist besser?

Ich habe schon initial erwähnt, dass wir als Kanban-Community arbeitsflussorientierte Boards und Tickets generell vorziehen. Das hat mindestens zwei Gründe: bessere Übersicht und gemeinsames Risikomanagement.

Die bessere Übersicht kommt natürlich durch den kontinuierlich erfassbaren Fortschritt und den offenen Aktivitäten für jedes einzelne Ticket und der Lastverteilung insgesamt.

Ein gemeinsames – und meist dadurch auch besseres – Risikomanagement können wir dadurch erzielen, dass die Regeln, die das Ziehen von Tickets regeln, angepasst werden. Sie sollten so gestaltet sein, dass Mitarbeiter Tickets dann ziehen können, wenn Termine in Gefahr sind, Tickets lange liegen oder der wirtschaftliche Nutzen in Gefahr ist. Paaren wir das mit einem Treffen wie einem täglichen Stand-Up, können wir täglich über den Zustand und entstehende Risiken diskutieren. Das ist bei rein aktivitätsbasierten Boards zwar auch in gewissen Maßen möglich, aber deutlich herausfordernder.

 

Schlussendlich ist natürlich noch wichtig, dass die Ende-zu-Ende-Boards die Dienstleistungsorientierung deutlich stärker fördern als reine To-Do-Doing-Boards. Wenn alle den Eingang und Ausgang des Workflows kennen und gemeinsam den Fortschritt betrachten können, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich auch um die zeitnahe Bearbeitung von kundenrelevanten Inhalten einsetzen.

Vorbedingungen

Es existieren ein paar Vorbedingungen, die erfüllt sein müssen, um nutzbringend mit diesen arbeitsflussorientierten Kanban-Boards zu arbeiten. Zuallererst müssen Arbeitstypen und die damit verbundenen Arbeitsflüsse geklärt werden. Das lässt sich mit den Fragen „Wem liefern wir eigentlich was? Welche Schritte sind dafür notwendig?“ ganz gut ergründen. Meist erbringen wir mehr als eine Dienstleistung. Sie besser zu verstehen ist der Sinn dieser Übung. Das Verständnis der Dienstleistungen sollte man gemeinsam, also Dienstnehmer und Dienstleister, durchführen. Falls Sie Interesse habe, biete ich Ihnen gerne einen solchen Workshop an.

Mit dem Verständnis der Dienstleistung geht eine Festlegung des Commitment-Punkts einher. Er stellt eine weitere Vorbedingung für die effektive Verwendung eines Kanban-Boards dar. An diesem Punkt wird vom Dienstleister die Zusage gegeben, dass die Tickets zügig bearbeitet werden. Der Dienstnehmer gibt die Zusage, dass er die angefangenen Tickets nicht mehr abbrechen wird. Haben wir den Commitment-Punkt, können wir uns sicher sein, ab wo wir zeitliche Risiken managen müssen und ab wo wir Fortschritt erzielen müssen.

Haben wir all das, gehören alle Dinge auf das Ticket, die uns eine gute Entscheidung ermöglichen, wenn wir ein Ticket weiter ziehen wollen:

  • Titel
  • Startdatum
  • Enddatum (zur nachträglichen Datenpflege)
  • potentiell ein Zieldatum, an dem das Ticket fertig sein sollte
  • Serviceklasse
  • Arbeitstyp

 

Viel mehr benötigen wir normalerweise gar nicht auf dem Zettel, der da an der Wand hängt. Die meisten Unternehme führen nebenbei noch ein elektronisches Werkzeug, zu dem wir eine Referenz bilden sollen: Die Ticketnummer gehört dann auch noch darauf.

Sonderfall

Es gibt noch eine Art Sonderfall von ToDo-Doing-Done-Boards, dem in diesem Beitrag ein wenig Unrecht getan wurde. Ein solches Board kann nämlich auch die Darstellung einer Dienstleistung sein. Die Tickets sind dann, wie beschrieben, Dienstleistungsaufträge. Allerdings ist der Workflow für die einzelnen Tickets entweder so kurz, unstandardisiert oder unterschiedlich, dass es sich nicht lohnt, ihn aufzufächern.

Denken Sie mal an ein Call-Center: Hier ist in einem fünfminütigen Gespräch nicht relevant, in welchem Zwischenzustand sich das Gespräch befindet. Hier ist das Management der Warteschlangen vor dem Center viel wichtiger!

 

Ein weiteres Beispiel sind Scrum-Teams, die komplette Features innerhalb eines Sprints entwickeln. Die meisten von ihnen könnten zwar auch von aussagekräftigeren Boards profitieren. Die Grundidee in Scrum ist aber, dass die erbrachte Dienstleistung so wenigen Standards unterliegt: es handelt sich um komplexe Produktentwicklung, die sich schwer in Standards bringen lässt, weil eventuell auch die Arbeitstypen so stark variieren.

Fazit

Arbeitsflussorientierte Kanban-Boards helfen uns dabei, den Überblick zu behalten und Risiken besser zu managen. Sie fordern eine kontinuierliche Beschäftigung mit dem Gesamtkontext. Im Gegensatz dazu reduzieren die aktivitätsorientierten Boards den Fokus nur auf die anstehenden, nächsten Aktivitäten. Sie sind meistens im Kontext Personal Kanban oder Team-Kanban zu finden. Eine wirkliche Weiterentwicklung lässt sich mit ihnen aber nicht erzielen.

 

Ich empfehle Ihnen die Verwendung von arbeitsflussorientierten Boards. Sie werden dadurch Ihre Dienstleistung besser managen können und damit Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder zufriedener machen.



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