Welche Durchlaufzeiten Sie messen sollten

Neulich fragte mich ein Kunde, ob die Wartezeit, die ein Ticket bei einem Dienstleister verbringt, eigentlich auch in die Durchlaufzeit eingerechnet wird, die dann den Kunden kommuniziert wird. Welche Zeiten werden also bei der Messung der Durchlaufzeit berücksichtigt?

 

Die Durchlaufzeit ist ein schwieriges Thema in der Kanban-Community. Das ist gar nicht so, weil es fachlich so fordernd ist. Stattdessen werden verschiedene Begriffe verwendet und es gibt keine einheitliche Definition. Das geht so weit, dass „Thought leader“ sich darüber echauffieren, dass andere nicht ihren Definitionen folgen.

Wie gesagt: Fachlich ist es eigentlich recht einfach. Ich möchte den Stand festhalten, den ich als sinnvollsten erachte.

 

Generell ist zu sagen, dass die Durchlaufzeit immer ab dem Commitment-Punkt gemessen wird. Das ist kurz gesagt der Punkt, an dem der Dienstleister dem Kunden die Zusage gibt, dass der Auftrag bearbeitet wird.

Wir unterscheiden zwei Arten von Durchlaufzeiten: Die Kundendurchlaufzeit customer lead time und die Kanban-System-Durchlaufzeit System lead time.

 

Warum unterschiedliche Zeiten

Bevor wir in die tiefere Diskussion gehen, wie sie gemessen werden, müssen wir klären, warum sie überhaupt unterschieden werden. Die Kanban-System-Durchlaufzeit gibt uns eine Aussage darüber, wie viel Zeit ein Ticket in dem Bereich verbringt, den wir kontrollieren können. Die Kundendurchlaufzeit ist die für den Kunden relevante Aussage, die wir am Commitment-Punkt treffen. Wir messen also zwei Zeiten, um einerseits dem Kunden eine Auskunft darüber geben zu können, wann seine Anfrage fertig bearbeitet sein wird, und um andererseits Daten über unseren Einfluss auf diese Auskunft beurteilen zu können.

Die beiden Zeiten können natürlich übereinstimmen – im Idealfall ist das sogar so. Im Normalfall ist die Kundendurchlaufzeit aber höher als die Systemdurchlaufzeit.

 

Von – bis

Ich habe eben schon erwähnt: die Zeiten werden immer ab dem Commitment-Punkt gemessen. Das ist für beide gleich. 

Die Kanban-System-Durchlaufzeit wird dann bis zur ersten unlimitierten Spalte gemessen – das heisst bis zum ersten unlimitierten Puffer oder Aktivität. Nur bis hierhin erstreckt sich unser erstes Kanban-System: Die Menge der Arbeit und der Verfügbarkeitssignale. Das Zweite wird manchmal als „kanban“ bezeichnet, während das erste schlichtweg die Arbeitseinheiten sind. 

Wenn wir also die Kanban-System-Durchlaufzeit messen wollen, dürfen wir nur die Teile berücksichtigen, die auch innerhalb des Kanban-Systems liegen.

 

 

Warum nicht auch weiter? 

Nur die Durchlaufzeit durch das Kanban-System ist aufgrund der Limitierung wirklich einigermaßen vorhersagbar. Alles Unlimitierte dahinter unterliegt womöglich unvorhersagbarer Prozessvariabilität. Wollen wir nur die Zeit dessen messen, was wir beeinflussen können und wo wir Einfluss auf die Vorhersagbarkeit nehmen können, ist das die Kanban-System-Durchlaufzeit. Haben wir noch auf weitere Teile des Systems Einfluss, stellt sich die Frage, warum dann nicht auch dort eine WIP-Limitierung eingesetzt wurde.

Es könnte natürlich sein, dass hinter einem unlimitierten Puffer ein zweites Kanban-System beginnt, das in unserer Kontrolle liegt. Hier können wir eine zweite Kanban-System-Durchlaufzeit messen und sind auch gut beraten, das zu tun. Sie wird dann einfach parallel geführt, bis wir beide Systeme zusammenkoppeln können.

 

Kunde wartet auf Fertigstellung

Die Kundendurchlaufzeit misst die Zeit, die der Kunde auf die Erfüllung seines Dienstleistungsauftrages warten muss – darin sind auch die unlimitierten Puffer oder Aktivitäten enthalten. Wir messen diese Zeit also vom Commitment-Punkt bis zu dem Punkt, an dem der Kunde das Resultat des Auftrags entgegennimmt.

 

Was ist enthalten

Damit wird eigentlich klar: In beiden Durchlaufzeiten wird alles berücksichtigt, was darin anfällt. Hier machen wir keine Kompromisse und sind ganz klar: Alles wird mitgemessen. Das klingt vielleicht ungerecht, weil in den Zeiten auch Wartezeiten auf Blockaden oder Abhängigkeiten von Dienstleistern zu berücksichtigen sind. Aber in beiden Fällen ist das gerechtfertigt. Im Fall der Kanban-System-Durchlaufzeit haben wir hier Indikatoren für Verbesserungspotentiale. Aus Sicht der Kunden sind diese Ereignisse wahrscheinlich erst einmal unsichtbar.

Manchmal wird der Einwand vorgebracht: „Aber dann erscheinen wir doch langsamer als wir wirklich sind!“

 

Ja, für die eigenen Kunden ist man das in diesem Fall vielleicht wirklich langsam. Den Auftraggeber schert aber im Zweifel nicht, ob die Abhängigkeit da ist oder nicht. Auf jeden Fall ist auch hier Raum für Verbesserung! Insbesondere bei Abhängigkeiten zu Dienstleistern heisst das: Mit dem Dienstleister sprechen, SLAs vereinbaren, WIP-Limits installieren und die Durchlaufzeiten dann auch in der Kanban-System-Durchlaufzeit mitmessen.

Fazit

Es werden alle Zeiten, die während der Messung anfallen, in den beiden relevanten Durchlaufzeiten berücksichtigt. Diese sind die Kunden-Durchlaufzeit und die Kanban-System-Durchlaufzeit. Beide werden ab dem Commitment-Punkt gemessen. Die eine bis zum Ende des Kanban-Systems, die andere bis zur wirklichen Lieferung an den Kunden.