Kanban-Master – ja, nein, vielleicht?

Kanban-Master begegnen mir immer wieder – als Kümmerer des Boards, als Moderator oder als gute Fee, die allen hinterher rennt. Brauchen wir diese Rolle?

 

Eines der schmerzhaftesten Artefakte, die die Agilisierung mit Scrum uns eingebracht hat, ist das Wort "Master". Hinter dieser Rolle verbirgt sich die geheimnisvolle Rolle des "Servant Leaders", der den Prozess beobachtet, das Rahmenwerk kennt, unterstützt und so weiter. Und wer findet den Titel Master nicht auch super attraktiv? Nun, ich, aber das ist gerade nicht von Belang hier...

 

Der Master wurde also mitgebracht und teilweise auch übernommen, wenn Teams einen Schwenk weg von Scrum gemacht haben. Häufig ist das hin zu einem iterationslosen Ad-hoc-Prozess mit einem Board. Dieser wird dann "Kanban" genannt. Der Scrum-Master ist dann aber nicht mehr Scrum-Master, sondern wird gleich mit umbenannt und wird zum Kanban-Master.

 

Ich werde ab und zu mal gefragt, ob es denn so jemanden eigentlich braucht – die Kanban-Methode schreibt ihn ja nicht explizit vor! Die Kanban-Methode schreibt das Meiste sogar nicht vor, aber auch das lassen wir mal kurz beiseite.

Den Titel können wir wählen, wie wir das wollen: Kanban-Master, Flow-Master, Flow-Manager, Service-Delivery-Manager, Scrum-Master, Grösster Kümmerer ... – das ist der Großteil des Üblichen.

Meine Antwort auf die Frage, ob es so jemanden braucht, ist: Ja, und...

 

Ja, wir brauchen ihn

Meine Erfahrung zeigt, dass wir ihn brauchen, weil diese Person von zwei Seiten benötigt wird.

Die eine Seite ist das restliche Unternehmen, insbesondere andere Dienstleistungen, die auf die angebotene zugreifen. Sie benötigen häufig jemanden, der "verantwortlich" ist – also antworten kann, wenn Fragen zur Performance, zur Verbesserung und so weiter auftreten. Es ist im Allgemeinen sehr schwierig, alle an einer Dienstleistung Mitarbeitenden so weit mit den wichtigen Daten und Informationen auszustatten, dass sie jederzeit mit einer repräsentativen Stimme sprechen können.

Die zweite Seite sind genau diese Mitarbeitenden. Auch wenn wir uns das gerne anders wünschen: Ich habe selten(*) Teams gesehen, die so viel Verantwortung für ihre eigenen Prozesse übernehmen, dass sie zur richtigen Zeit die richtigen Diskussionen führen. Häufig sind die Mitarbeitenden so fokussiert auf das Erbringen der Dienstleistung, dass sie die kontinuierliche Verbesserung außen vor lassen. Hier hilft der Kanban-Master, der den Blick auf die Prozesse übernimmt.

 

(*) Selten ist hier eine euphemistische Untertreibung. Ich kann die Teams an einer Hand abzählen.

 

Wer, wie, was?

Es stellt sich natürlich auch noch die Frage, wer denn diese Rolle überhaupt übernehmen sollte. Als allererstes: Im Gegensatz zu gern ausgeübter, schlechter Praxis ist es nicht sinnvoll, den billigsten, unerfahrensten Mitarbeitenden zu nehmen, den man bekommen kann!

 

Wir können uns eigentlich zwei Optionen überlegen: Führungskraft oder Mitarbeitender.

Eine Führungskraft zu nehmen, hat den Vorteil, dass dieser oder diese in vielen Fällen nicht so tief im täglichen Geschäft stecken. Sie können von außen auf die Dienstleistung schauen und die erforderlichen Daten sammeln, ohne dabei den Fluß der Dienstleistung zu stören. Manchmal haben diese Führungskräfte auch das notwendige Wissen schon und müssen nicht besonders geschult werden.

Aber auch eine mitarbeitende Person zu nehmen, ist eine Option. Sie kennen die Prozesse und Abläufe häufig besser, sie sind ja tagtäglich damit konfrontiert. Die Verantwortung der Rolle im Team zu haben stärkt manchmal auch die Identifikation mit den eigenen Prozessen und Optionen zur Veränderung.

Es kann dabei allerdings auch Sinn ergeben, diese Rolle rollierend durch das Team zu vergeben. Hier müssen wir allerdings darauf achten, dass alle Personen, die diese Rolle einnehmen, mit den notwendigen Fähigkeiten ausgestattet ist. Sonst verkommt diese wichtige Rolle zu einer unattraktiven, überfordernden Pflichtübung. Die Ergebnisse sind dann meistens alles andere als hilfreich.

 

Nein, wir brauchen die Rolle nicht

Ich habe am Anfang geschrieben, dass die Antwort auf die Frage, ob wir einen Kanban-Master benötigen, "Ja, und..." ist. Den "Ja"-Teil haben wir schon beantwortet.

Warum also "und..."?

Es gibt Teams und Gruppen, die es schaffen, sich selbst gut zu managen. Sie benötigen keinen Support von außen. Sie bringen zu den richtigen Zeitpunkten die richtigen Daten zusammen, sie kümmern sich selbstständig und gemeinsam um Prozessverbesserung, und bilden dabei keine impliziten Rollen aus. Das habe ich aber wirklich sehr, sehr selten funktionieren sehen. Aber theoretisch könnte es wohl funktionieren!

 

Wie sind deine Erfahrungen mit "Kanban-Mastern"? Hast du als hilfreich empfunden? Was waren ihre Aufgaben? Lass uns doch in den Kommentaren teilhaben!

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Michael M. (Montag, 06 April 2020 10:50)

    Bei Scrum ist es im Prinzip sehr einfach. Der Scrum Master hat laut Scrum Guide da zu sein, sonst ist es kein Scrum.
    Trotzdem möchte ich ergänzen, zeichnet sich ein guter Scrum Master dadurch aus, dass er sich überflüssig macht. Er leitet das Team zu Selbstorganisation an. Im Idealfall habe ich also irgendwann ein Scrum Team, was seinen Scrum Master nicht mehr braucht.
    Bei Kanban sollte es ähnlich sein.
    Meist ist es aber so, die Idee der kontinuierlichen Verbesserung findet kurz Beifall und Interesse und schläft dann sehr schnell wieder ein. Es sei denn es gibt den "Master", der es als seine Hauptaufgabe betrachtet dies dauerhaft zu etablieren. Wenn er es gut macht, hat er das Team irgendwann so weit, dass er immer weniger Zeit auf das Team verwenden muss.