Don't call it Schnitzel

 

"Wie überzeugen Sie jemanden von Agile?" – Erstens: Kontext hineinbringen. Zweitens: Don't call it Schnitzel.

 

(Foto: https://www.flickr.com/photos/adactio/5442059618)

 

"Wie überzeugen Sie eine gestandene Führungskraft davon, dass sie sich jetzt mit Agilität auseinandersetzen soll? Der*Die hat ja die Jahre zuvor nix davon gemacht und ist gut durchs Leben gekommen." – Diese Frage wurde mir neulich im Rahmen eines Gesprächs mit einem IT-Leiter gestellt.

 

Zuerst war ich etwas überrascht von der Frage, denn es ist ja schon fraglich, warum jemand von außen einer Führungskraft eines Unternehmens die Dringlichkeit einer Transformation beibringen soll. Andererseits ist es keine ganz untypische Situation. Aber sehen wir uns doch mal an, warum es ein Problem darstellt.

"Agile", agile Vorgehen wie Scrum und Agilität an und für sich stellen ja kein Ziel oder einen Zweck dar, aufgrund dessen wir eine Veränderung durchlaufen sollten, sondern ein Mittel zum Zweck. Allerdings wird das Fehlen von Agilität immer wieder zum Problem gemacht. Kollege Bruno Baketaric hat in einem Tweet so schön Eliyahu Goldratts Bestseller "The Goal" zitiert:

 

 

Ähnlich argumentiert Ray Immelmann in seinem Buch "Good Boss, dead Boss" über Tribes, das soziale Phänomen von Stämmen. Er listet zwei "Tribal Attributes" auf, die die Grundlage für Veränderung im Sinne von Agilität oder nicht legen: "Ein starker Stamm hat einen glaubhaften, rechten Grund für seine fortgeführte Existenz" und "Ein starker Stamm hat klare, externe Erfolgskriterien." Wir benötigen also einen triftigen Grund, um eine solche Veränderung durchführen zu können. Einen Grund, hinter dem sich die Menschen dann auch versammeln können. Haben wir diesen Grund nicht, wird's giftig. Da haben wir dann sofort Diskussionen darüber, dass bestimmte Menschen nicht das "richtige Mindset" haben. Oder es wird irgendwie mit der Brechstange versucht, die Widerstand Leistenden von der für Erleuchtete klar zu sehenden Überlegenheit der Vorgehen zu überzeugen. Hört sich missionarisch an? Ist es auch! Wir bewegen uns dann sofort auf dem Gebiet der Ideologie. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb zu Ideologien: "Seit Marx und Engels bezieht sich der Ideologiebegriff auf Ideen und Weltbilder, die sich nicht an Evidenz und guten Argumenten orientieren, sondern die darauf abzielen, Machtverhältnisse zu stabilisieren oder zu ändern." Und so lässt es sich dann auch an – wir haben ruckzuck eine Bewegung, die versucht, Macht zu übernehmen, um alte Herrschaftsstrukturen über den Haufen zu werfen. Spannenderweise finden sich weder im Agilen Manifest noch in den begleitenden Prinzipien Anleitungen dazu, welche Gruppe von Mitarbeitenden eigentlich im Unternehmen herrschen sollten!

Wollen wir diese Diskussionen nicht haben, müssen wir uns angucken, wo das Bedürfnis für agile Vorgehensweisen denn eigentlich herkommt. Häufig ist das berechtigte, drunterliegende Problem, wie die Organisation mit der Umwelt umgeht. Haben wir eine sich schnell bewegende Umwelt mit sehr flinken "Marktbegleitern" und selbst aber sehr träge Prozesse, könnten wir in unangenehme Situationen kommen.

Hier kommen Immelmans externe Erfolgskriterien ins Spiel. Am besten können wir durch sie ein gemeinsames Bild über den aktuellen Zustand erzeugen. Haben wir sie nicht, können wir dieses gemeinsame Bild trotzdem erschaffen. Wir müssen halt dann "inne Bütt" miteinander und eine Sicht auf die Situation der Organisation im Umfeld entwickeln. Bei gleicher Bewertung der Situation kann dann eine ähnliche oder sogar gleiche Dringlichkeit für Veränderung abgeleitet werden. Die ergriffenen Maßnahmen können unterschiedlich sein – hier sollten wir wieder nicht ins Ideologische verfallen! Aber die Maßnahmen müssen kohärent zur Realität und der Theorie sein. Mit einem "Weiter so" kommt man dann also nicht mehr durch. Das ist dann auch der Punkt, wo sich Führungskräfte und Mitarbeitende untereinander verantwortlich halten müssen und auch konfrontativ sein sollten. Das gelingt übrigens leichter, indem man Kritik an geplantem Vorgehen ritualisiert und depersonalisiert. Wie das geht, können wir gerne mal besprechen und ich moderiere dazu auch Workshops. 

 

Und ich als Externer? Ich kann zum einen diese Dringlichkeit immer wieder spiegeln – gerade wenn sie einem gemeinsam erschaffenen Bild entspringt. Dann ist es nämlich nicht mein Interesse an einer Veränderung, sondern das des Unternehmens und in der Verantwortung des Individuums. Darüber hinaus – und das ist ja die eigentliche Expertise des Beraters – kann ich dann mit Vorgehen zur Verfügung stehen, die die Organisation passender zur Umgebung aufstellen können. Große Teile davon kommen sicherlich auch aus der Welt der Agilität – aber eben nur als ein Mittel, in sich schnell wandelnden Welt die Reaktionsfähigkeit auf den Markt zu steigern und Risiken zu senken. Haben wir andere Themen, sehen die Lösungen anders aus.

 

Fazit

Wenn wir also über Agilität sprechen, sprechen wir erst mal nicht über Agilität, sondern über die drunterliegende Differenz zwischen aktuellem und notwendigem Zustand. Und wenn wir dann doch auf die Agilität zu sprechen kommen, versuche ich es nicht "Agilität", Scrum oder Kanban zu nennen – denn das ist leider massiv ideologisch geprägt und wirft gleich Mauern auf. Also "Don't call it Schnitzel."

 

 

 

 

(Und wer nur wegen des Titels hergekommen ist: Hier ist der Clip.)


Kommentar schreiben

Kommentare: 0