· 

Podcast: Die Prinzipien für Veränderungsmanagement

Shownotes

 

Kanban hat zwei Sets von Prinzipien: Die einen für Veränderungsmanagement. Die anderen sind die Dienstleistungsprinzipien. In dieser Folge sehen wir uns die für Veränderungsmanagement an: Wie sie lauten und was sie eigentlich bedeuten!

 

Hast du eine Frage für den Podcast? Dann schreib mir an: post@florianeisenberg.de

 

Bis dahin

Happy Kanban! 

 

Transkript

Heute haben wir mal die drei Prinzipien für Veränderungsmanagement als Thema. Die sind bei Kanban-Implementierungen nämlich wirklich wichtig. Dabei geht es wenig um Prinzipienreiterei – also dass da jemand mit dem erhobenen Zeigefinger steht und sagt, dass etwas so und nicht anders zu gehen hat. Stattdessen sind sie eher ein Hilfsinstrument, anhand derer wir entscheiden können, wie wir Dinge tun. Also wie so häufig bei Kanban: Wir müssen selbst denken. 

 

Lieber zuhören? Hier ist der Podcast:

Die Prinzipien in Kanban haben auch eine ordentliche Evolution hinter sich. Anfänglich waren sie eher schwammig und im Text des sogenannten Kirschblütenbuchs von David Anderson enthalten. Dann manifestierten sich drei Prinzipien, sie wuchsen zu vier Prinzipien an, um dann, zufällig kurz nach der Publikation des durch mich ins Deutsche mitübersetzen Buches "Kanban from the Inside" von Mike Burrows wieder auf drei verdichtet zu werden. Ich muss sagen, dass die Verdichtung durchaus Sinn ergibt: Sie fasst einfach die Dinge zusammen, die zusammen gehören.

 

Die beiden ersten Prinzipien sind darauf ausgelegt, bei der Weiterentwicklung unserer Arbeitsprozesse möglichst wenig Widerstand aufkommen zu lassen. Das dritte Prinzip ist so etwas wie der Motor für Veränderung. Aber schauen wir sie uns doch mal im Detail an.

Das erste Prinzip lautet: Beginne mit dem, was du gerade tust und respektiere bestehende Rollen, Verantwortlichkeiten und Job Titel und verstehe die Prozesse, so wie sie aktuell gelebt werden.

Ganz schön langer Wust, der sich aber gut in die drei Teile aufteilen lässt.

"Beginne mit dem, was du gerade tust" – Das Prinzip hat also erst einmal die Grundeinstellung, dass das, was wir bis jetzt getan haben, schon so seine Daseinsberechtigung hat. Bei Jerry Weinberg hieß es damals: Die Dinge sind so, weil sie so geworden sind. Warum also sollten wir den Status quo von vornherein verurteilen? Insbesondere die Menschen darin tun ja ihr Bestes und ich könnte vermutlich die ganze Folge mit Zitaten von Jerry Weinberg bestreiten. Der hat nämlich gesagt: Egal wie es aussieht, jeder versucht, hilfreich zu sein. Das gesagt, sollten wir also Abstand davon nehmen, Rollen, Verantwortlichkeiten und Job-Titel sofort umzudesignen. Die sind schon so, weil es gute Gründe gab, dass sie so sind und verdienen auch den Respekt. Wenn wir dieses Prinzip nicht zur Grundlage unseres Handeln machen, kommen wir zu spannenden Konstellationen. Dieses Sozialexperiment wird in der agilen Welt gerne immer und immer wieder durchgeführt. Da werden nämlich Projektleiter, Enterprise-Architekten und sonstige Menschen mit einem sozialen Status, der Teil der Identität ist,   entweder umdeklariert und in ihren Verantwortungen beschnitten oder ausgegrenzt.

Typisch wäre also zum Beispiel, dem Projektleiter die Kontrolle eines Projektes nicht zuzugestehen und ihn oder sie maximal zum ScrumMaster zu machen. Architekten werden degradiert, da beispielsweise Scrum nur die Rolle "Produktentwickler" für sie vorsieht. Da habe ich mich in meiner Scrum-Vergangenheit auch schuldig gemacht – und habe gesehen, dass da sowohl die Menschen als auch die Organisationen drunter leiden.

Kanban geht also erst einmal davon aus, dass das größtenteils richtig ist so, wie es ist. Da kommt dann das zweite Prinzip noch dazu, mit dem wir uns gleich beschäftigen. Der Rest des ersten Prinzips ist "und verstehe die Prozesse so, wie sie aktuell gelebt werden."

Das verdient auch durchaus ein wenig Aufmerksamkeit. Manchmal, wenn ich bei der Modellierung der Dienstleistungsprozesse zur Hilfe diazugezogen werde, wäre die Modellierung im Grunde recht schnell abgeschlossen. Da sagt nämlich dann jemand, dass man für sowas ja ein Prozesshandbuch hat, da könne man den Prozess dann abschreiben. Da ich eine Menge Prozesshandbücher kenne, frage ich dann da immer etwas ketzerisch nach, ob denn diese Prozesse immer ganz genau befolgt werden, was ja selten der Fall ist. Wir wollen ja aber herausfinden, was vielleicht an der Realität krumm ist und nicht dem, was idealisiert irgendwo beschrieben wird. Und vielleicht wäre der idealisierte Prozess sogar super, aber irgendetwas hindert uns daran, ihn so zu leben.

Statt also abzubilden, wie es denn eigentlich sein sollte, sehen wir uns an, wie es ist.

Jetzt also das zweite Prinzip. Ich habe eben versprochen, dass wir da noch mal drauf zurückkommen, nämlich wegen der Menschen. Das zweite Prinzip fängt an mit "Schaffe eine gemeinsame Vereinbarung" – die Prämisse der Kanban-Methode ist also, dass wir mit den Menschen zusammenarbeiten. Ja, selbst wenn wir von vornherein blöd finden, wie aktuell die Verantwortlichkeiten verteilt sind.

"Schaffe eine gemeinsame Vereinbarung" geht dann weiter mit "dass Verbesserung durch evolutionäre Veränderung verfolgt wird." Da stecken dann zwei Dinge drin: zum einen, dass Verbesserung verfolgt wird und zum anderen, wie sie verfolgt wird: nämlich durch evolutionäre Veränderung. Das ist ein ganz spannender Part, weil evolutionäre Veränderung nicht heißt, dass wir uns in kleinen Schritten an einen idealisierten Zustand annähern. Es ist also kein Systemdenken in neuen Kleidern, die Denkweise gehört eher ins Komplexitätsdenken. Wir schließen also keine imaginäre Lücke, sondern bewegen uns vorwärts und sehen, ob wir mit dem Kontext unseres Arbeitssystems besser umgehen können als vorher.

Dafür müssen wir uns eine Reihe von Kriterien überlegen, die uns zeigen, ob Dinge besser werden. Das kann  Geschwindigkeit, Vorhersagbarkeit und sowas sein. Dann können wir Änderungen beschließen und beobachten die Auswirkungen. Das Systemverhalten, also die Leistungsfähigkeit des Systems bezüglich dieser sogenannten Fitness-Kriterien, beurteilen wir dann und überlegen uns, ob es schlechter oder besser geworden ist und welche Dinge wir noch tun können, um besser zu werden.

Über all das sollen wir eine Vereinbarung schließen – oder zumindest nicht Veränderungen vorantreiben, ohne dass wir mit den Betroffenen und Interessierten gesprochen haben.

Das dritte Prinzip für Veränderungsmanagement ist auch noch mal wichtig, denn ohne das bewegt sich gar nichts. Im englischen Original heißt es: "Encourage acts of Leadership on all levels" Ich übersetze das meistens mit "Ermutige zu Führungsverhalten." Und dann kommt noch eine Ergänzung, die den deutschen Satz dann zu Folgendem werden lässt: "Ermutige zu Führungsverhalten – beim Top-Management wie bei den individuellen Mitarbeitenden."

Sehen wir uns doch mal an, was das bedeuten soll, da habe ich in öffentlichen Trainings nämlich schon Diskussionen drüber gehabt. Dieser Satz kann in streng hierarchisch-disziplinierten Unternehmen durchaus für Aufsehen sorgen. Denn wo kämen wir denn jetzt hin, wenn auch jeder Mitarbeiter Führung übernehmen soll?

Dazu muss ich sagen: Es funktioniert nicht ohne. Aber es bedeutet jetzt auch nicht, dass wir jedem eine Führungsposition anhängen müssen. Wir sollen jeden – eben vom Top-Management bis zur wirklichen Wertschöpfung – dazu animieren, Dinge anzusprechen, die problematisch sind, Verbesserungen vorzuschlagen und diese auch durchzuziehen. Das Letzte trifft natürlich insbesondere auf Führungskräfte zu. Die müssen auch von ihren Mitarbeitenden und Peers dazu ermutigt werden, Dinge zu verändern. Meist sitzen sie ja an den Stellen, wo etwas verändert werden kANN, brauchen dabei aber manchmal auch die Rückendeckung.

Im Englischen heißt es "acts of Leadership". Das habe ich nicht ganz eins zu eins übersetzt. Wichtig finde ich hieran, dass es nicht darum geht, immer zu führen, sondern dann, wenn es auffällt, den Schritt vorwärts zu machen. Dazu müssen wir alle ermutigt werden. Und wenn klar ist, dass wir dafür keine Sanktionen, sondern vielleicht stattdessen sogar Lob bekommen, wird das zu einem selbstverstärkenden Verhalten. Damit kommt dann der Motor für Veränderung auf Touren.

 

Die drei Prinzipien für Veränderungsmanagement sind also da, um dem Status Quo  und den Menschen Respekt zu zollen, sie mit in eine evolutionäre Veränderung zu nehmen und sie zu ermutigen, dazu beizutragen, dass Dinge besser werden. Die ersten beiden Prinzipien sind für das Minimieren des Widerstands – eine der Grundideen der Kanban-Methode – und das dritte Prinzip ist da, damit Veränderung auch geschieht.

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0