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Podcast: Die Werte der Methode

Shownotes

Werte bilden die Grundlage der Methode, obwohl sie erst spät publiziert wurden und auch wenig referenziert werden. Aus ihnen lassen sich die Prinzipien und Praktiken aber herleiten, wie Mike Burrows in seinem Buch "Kanban from the Inside" getan hat. Die deutsche Ausgabe heißt "Kanban – verstehen, einführen, anwenden" und wurde von Wolfgang Wiedenroth und mir übersetzt.

Blogpost: Ist Kanban agil?

Blogpost: Es gibt kein Team in Kanban

Fragen und Anregungen bitte an post@florianeisenberg.de

 

Happy Kanban!

Transkript

 

Lieber zuhören? Hier ist der Podcast:

Ich habe, glaube ich, schon ein-zwei-mal erwähnt, dass Kanban ja mit dem Agile, was man heutzutage trifft, nicht so viel gemein hat. Anderson hat zwar damals versucht, sich und seine Bewegung da dran zu hängen. Davon zeugte auch sein Twitter-Handle, den er erst vor ein paar Jahren an den Nagel gehängt hat. Damals hieß er nämlich noch "Agilemanager". Ich glaube auch heute noch, dass es ein Fehler war, sich da dran zu hängen, weil Kanban eben so selten in seinem vollen Potential gesehen wurde, sondern immer nur als Substitut, wenn das "Original" nicht funktioniert.

 

Wenn du mehr dazu wissen willst, ob Kanban nun agil ist oder nicht, lege ich dir meinen Blogpost dazu ans Herz. Den Link findest du natürlich in den Shownotes.

 

Ich möchte heute mal über die Werte hinter Kanban sprechen. Werte kennen viele vom Agilen Manifest – da gibt es diese vier Wertepaare. "Funktionierende Software schätzen wir mehr als ausgiebige Dokumentation" und so weiter.

Anderson hat meines Wissens nach aber nie das agile Manifest unterzeichnet. Und Kanban vertritt tatsächlich auch andere Werte. Sehen wir sie uns doch mal an.

 

Es sind ganze neun Stück: Transparenz, Balance, Zusammenarbeit, Kundenfokus, Flow, Leadership, Verständnis und Einverständnis und zu guter Letzt Respekt.

Das ist eine ganz ordentliche Reihe und es wurde sogar damals noch diskutiert, ob nicht ein Zehnter hinzukommen soll. Aber mal im einzelnen:

 

Also: Transparenz. Ich habe schon mal darüber gerantet, dass Transparenz jetzt normalerweise kein Ziel ist, das man mit Kanban sinnvoll verfolgen kann. Aber darum geht es ja auch nicht. Vielmehr halten Kanban-Praktiker es für wertvoll, transparent zu sein und Dinge sichtbar zu machen.

Denn dann können wir diskutieren und bewerten, wie hilfreich die Dinge für uns sind.

 

Balance ist etwas, was häufig mit den WIP-Limits und der persönlichen Belastung der Mitarbeiter in Verbindung gebracht wird. Ein ausbalanciertes Arbeitssystem überlastet die Mitarbeiter nicht, respektiert aber auch die Bedürfnisse der Kunden und Stakeholder im System. Darüber hinaus wird die Balance häufig in Verbindung mit verschiedenen Kunden für die selbe Dienstleistung gesehen: Wenn wir die Bedarfe und Leistungen unter diesen ausbalancieren, können wir womöglich mehr Kunden glücklich machen und wirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielen.

Aber auch Risiko lässt sich ausbalancieren. Also gar nicht ausräumen oder so – zum einen finde ich das ziemlich langweilig, zum anderen verstecken sich ja in Risiken häufig auch mögliche Renditen. Was ich damit meine: Wir können bewusst bestimmte Risiken eingehen, wenn wir uns deswegen anderes sparen. Beispielsweise Annahmen treffen, die wir auch aufwändig abklären könnten. Wenn wir das Risiko eingehen, können wir entweder schneller sein oder es kann uns auf die Füße fallen und wir bekommen die Konsequenzen zu spüren.

 

Der dritte Wert ist die Zusammenarbeit. Ich habe ja auch schon einen Blogpost darüber geschrieben, dass es nicht zwangsläufig Teams geben muss, wenn wir Kanban anwenden. Kanban teilt da nicht die Ideologie des Teams, die tief in der agilen Welt verwurzelt ist. Nichtsdestotrotz ist es meistens hilfreich, wenn wir zusammenarbeiten – bei der Arbeit selbst, aber insbesondere in den Verbesserungsmeetings, die uns Kanban bietet. Und natürlich nicht nur innerhalb des Arbeitssystems, sondern auch an der Systemgrenze zum Kunden.

 

Das bringt uns auch schon auf den vierten Wert, dem Kundenfokus. Da habe ich ja in der letzten Folge mit den Dienstleistungsprinzipien drüber gesprochen. Das erste dieser Prinzipien lautet "Verstehe und fokussiere dich auf die Erwartungen und Bedürfnisse deiner Kunden." Das bedeutet nicht nur, die Geschwindigkeit und die Vorhersagbarkeit in den Griff zu bekommen und das eigene System so zu gestalten, dass es top läuft. Es bedeutet auch, den Bedarf zu antizipieren und auch zu formen. Und sich eben auch darauf einlassen, die Dienstleistung selbst anzupassen, wenn das den Kunden dienlicher ist.

 

Schon wieder eine ganz gute Überleitung, denn der fünfte Wert ist der Flow. Damit ist gemeint, was unter Kanban-Praktikern allgemein anerkannt ist: Ein gut fließendes System produziert kontinuierlich Wert und ist vorhersagbar und schnell. Flow als Wert bedeutet, dass wir ihn aktiv managen sollten. Das bedeutet, dass wir Probleme so schnell wie möglich angehen und ihre Ursachen nachhaltig beseitigen. Dass wir aktiv eingreifen, wenn wir Probleme oder Staus schon antizipieren können. Dass wir die Größen der Puffer korrekt wählen. Dass wir auch bei voneinander abhängigen Dienstleistungen miteinander kommunizieren und auch in der Gesamtorganisation den Fluss im Blick behalten und zusammenarbeiten, um ihn zu ermöglichen.

 

Leadership als sechster Wert ist, wie ich schon in der Folge über die Prinzipien für Veränderungsmanagement gesagt habe, der Motor dafür, dass Dinge passieren. In der Anwendung der vorherigen Werten sind viele Möglichkeiten für das Zeigen von Führungsverhalten versteckt. Wenn einer dieser Werte nicht beherzigt wird oder er besser erfüllt werden könnte, haben wir die Möglichkeit, Führung zu zeigen. Das erfordert erst eimal eine initiale Ermutigung. Aber aus Führungsverhalten folgt natürlich weiteres Führungsverhalten. Das ist in vielen Organisationen zu beobachten, die eine Veränderung zu lateraler Führung durchmachen: Es braucht häufig Starter, die sich trauen und hervortreten, um das Verhalten zu normalisieren. 

 

Verständnis und Einverständnis als die nächsten Werte haben zumindest vom Wort her sehr viel gemein. 

 

Der Wert des Verständnisses begegnet uns an mehreren Ecken in der Methode. Da ist zum Beispiel der Punkt mit dem Modellieren der Arbeitsflüsse. Wir müssen erst einmal verstehen, was wir da tun, bevor wir es modellieren können. Man könnte zwar auch sagen, dass die Modellierung gerade auch eine Übung zum Verstehen ist, aber das nur nebenbei. Wichtig ist eben dieses Verständnis des Arbeitssystems, damit wir es verändern können.

Verständnis bedeutet aber auch, den eigenen Schlussfolgerungen widersprechende Sichtweisen zu akzeptieren und zu versuchen, sie zu verstehen. Schon Nietzsche sagte, dass es keine Fakten gibt, sondern nur Interpretationen. Und wenn unsere Interpretationen dann auch noch auf einem unvollständigen Bild basieren, können sie sich widersprechen. Also sollten wir unsere unvollständigen Bilder miteinander teilen und eine gemeinsame Interpretation bilden.

Ich habe hier ja auch schon mal ein paar Mal über Widerstand gesprochen. Wenn wir mit Verständnis anfangen und vielleicht sogar mit einer gemeinsamen Interpretation weitergehen, sollte uns das Einverständnis für Änderungen allgemein leicht fallen. Haben wir dieses Einverständnis bei Mitarbeitenden, Stakeholder und insbesondere auch Kunden nicht eingeholt, werden wir gegen eine Wand laufen. Da können wir dann gegen rennen und versuchen, sie einzureißen. Aber dann haben wir noch nicht verstanden, was den Widerstand erzeugt. Sie versuchen ja alle, hilfreich zu sein.

 

Der letzte Wert Kanbans ist der Respekt. Er ist mindestens in den letzten beiden Werten tief verankert. Und unter Kanban-Praktikern ist er völlig unstrittig: Wenn wir nicht respektvoll mit den Menschen umgehen, werden wir scheitern. Das kann sich so mancher noch in dicken Buchstaben ins Notizbuch schreiben, wenn er versucht, ein Kanban-Board zur Überwachung der Mitarbeiter zu verwenden. Das wird schiefgehen.

 

Ich hatte gesagt, dass noch ein zehnter Wert diskutiert wurde. Mittlerweile würde ich ihn auch aufnehmen, es ist der Pragmatismus. Und warum? Weil wir uns nicht ideologisch verhaften sollten, sondern das tun sollten, was uns hilft, eine Dienstleistung zu gestalten, die unseren Kunden, Unternehmen und Mitarbeitenden Gutes tut.

 


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